Besser impfen statt schimpfen
von Markus Schaaf (Kommentare: 0)
Besser impfen statt schimpfen

Standpunkt Tössthaler vom 12. Februar 2021 von Markus Schaaf
Kein Tag vergeht, an dem sich nicht Leute lauthals darüber beschweren, was bei der Bewältigung der Corona-Krise alles falsch gemacht wird. Die Bildungsdirektorin verordnet Masken für die Primarschüler. Die Gesundheitsdirektorin stampft die Impfzentren nicht schnell genug aus dem Boden. Die Volkswirtschaftsdirektorin behandelt die Unterstützungsgesuche zu bürokratisch. Und der Finanzdirektor zahlt die Hilfsgelder nicht schnell genug aus. Natürlich ist es immer einfach, sich darüber auszulassen, wo andere falsch entschieden haben. Doch in den nächsten Wochen wird ein Punkt kommen, wo wir alle gefordert sind, selber eine Entscheidung zu treffen. Die Frage, der sich jede und jeder von uns stellen muss: «Lasse ich mich impfen oder nicht?»
Natürlich sind mit dieser Frage viele weitere Fragen verbunden. Schützt die Impfung auch wirklich gegen das Coronavirus? Weiss man genug über Nebenwirkungen? Riskiere ich gesundheitliche Schäden? Und letztlich mündet alles in die eine und entscheidende Frage: Wem kann, soll und darf ich vertrauen?
Mir fehlt es an elementarsten Grundlagen über Biologie, Virologie und Epidemiologie um mir eine eigene unabhängige Meinung über Nutzen und Risiken einer Impfung bilden zu können. Übrigens geht mir das auch in ganz vielen andern Bereichen meines Lebens genau gleich. Sei es, wenn es darum geht, Geld anzulegen, ein Fahrzeug zu kaufen oder ein Haus zu bauen. Ich bin bei all diesen Herausforderungen auf den Rat von Experten angewiesen und höre deshalb gerne zu und lerne von ihnen. Eine Gewissheit, die richtigen Expertinnen und Experten gefunden zu haben, gibt es natürlich nie. Aber meine berufliche und politische Tätigkeit hat die Auswahlkriterien bestätigt, mit denen ich in allen Lebensbereichen stets gut gefahren bin. So vertraue ich eher Menschen, deren Urteil auf Sachkenntnis und Erfahrung beruht. Schönwetterkapitäne, die Stürme nur aus Lehrbüchern kennen, begegne ich skeptisch. Mehr Gewicht haben für mich Fachfrauen und -männer, die weder einer Ideologie verpflichtet sind, noch alles schönreden müssen und nüchtern auch auf Gefahren und Risiken aufmerksam machen. Menschen, die für alle Fragen gleich die passende Antwort parat haben, machen mich misstrauisch, da ist es mir lieber, wenn jemand sagt: «Das wissen wir noch nicht.» Zudem interessiert mich, ob jemand primär an sich denkt oder das Wohl der Allgemeinheit vor Augen hat.
Aufgrund solcher Kriterien ist für mich jene Professorin glaubwürdig, die versichert, dass die Studientestreihen für die Corona-Impfungen dank grosszügiger staatlicher Mitfinanzierung massiv beschleunigt werden konnten, oder bildlich gesprochen: Dass parallel durchgeführte Sprints eben enorme Zeitvorteile gegenüber langfädigen Stafettenläufen bringen. Ebenso vertraue ich der Aussage der Europäischen Arzneimittelbehörde, dass der neue Impfstoff nicht in unsere Genstruktur eingreift, obwohl dies von selbst ernannten Spezialisten behauptet wird. Ich finde es ohnehin merkwürdig, wenn sich Hausärzte als Experten zu Wort melden, obwohl sie in ihrer Praxis nichts mit Epidemiologie und Virologie zu tun haben, also das Kriterium Fachwissen und Erfahrung nicht erfüllen.
Glaubwürdig sind für mich jene Spezialisten, die auf allfällige Nebenwirkungen eingehen und Befürchtungen ernst nehmen. Auch wenn die heutige Datenlage Entwarnung gibt, müssen wir akzeptieren, wenn sich beispielsweise Allergiker gegen eine Impfung entscheiden. Experten, denen ich vertraue, sprechen von einem Impfschutz von etwa 90 %. Es bleibt also ein kleines Restrisiko, trotz Impfung an Corona zu erkranken. Nur ist das Risiko, trotz Impfung zu erkranken um ein Vielfaches kleiner, als ohne Impfung an Corona zu erkranken. Und sind wir ehrlich, ein Restrisiko gibt es immer im Leben. Wenn ich mit meinem Mountainbike einen Waldweg von Wildberg ins Seefeld nach Rämismühle herunter donnere, nehme ich ebenfalls ein Restrisiko in Kauf.
Sie haben es sicher längst gemerkt: Ich werde mich gegen Corona impfen lassen. Ich will nicht, dass unser Gesundheitswesen kollabiert, Restaurants für immer geschlossen bleiben, Kulturanlässe nur noch digital stattfindet und noch mehr Kleinbetriebe schliessen müssen. Für mich ist Impfen die einzige wirksame Strategie, um die Coronakrise zu beenden. Impfen oder nicht – diese Frage muss jede Person für sich selber beantworten. Aber wer sich nicht impfen lässt, sollte hinterher nicht weiter schimpfen, wenn wir für eine lange Zeit weiterhin Schutzmassnahmen in Kauf nehmen müssen.