Faire Steuern oder unfairer Slogan

von Markus Schaaf (Kommentare: 0)

Standpunkt im Tösstaler vom 25.01.2014

In den letzten Tagen wurden die Plakatflächen im Tösstal regelrecht zugepflastert mit Botschaften an die Zürcherinnen und Zürcher, unbedingt ein grosses, fettes JA in die Abstimmungsurne zu legen, wenn sie „faire Kirchensteuern“ wollen. Zugegeben, diese Abstimmungspropaganda ist wirklich genial gewählt. Wer will sich denn schon dem Vorwurf aussetzen, er sei gegen „faire Steuern“? Und trotzdem halte ich die Aussagen des Abstimmungsplakats nicht nur für falsch, sondern auch für unfair.

Ein Abstimmungswahlkampf müsste eigentlich mit Argumenten und sachlichen Informationen ausgetragen werden. Aber mediale Aufmerksamkeit erhält man heute nur noch durch Vereinfachung und Zuspitzung. Die Kernbotschaften werden mit markigen, eingängigen Worten und Bildern angepriesen. Befürworter, wie auch Gegner dieser Volksinitiative, haben mit ihren Botschaften mehrfach die Grenzen von Sachlichkeit und Fairness berührt oder gar überschritten.

Mit ihrer Volksinitiative „Weniger Steuern fürs Gewerbe“ fordern die Zürcher Jungfreisinnigen, dass juristische Personen von der Pflicht befreit werden, Kirchensteuern zu bezahlen. Sie fordern eine klare Trennung von Kirche und Staat. Genau diese Trennung hat das Zürcher Stimmvolk im Jahr 1995 in einer Abstimmung verworfen. In der Folge haben der Kanton Zürich und die öffentlich-rechtlich anerkannte Religionsgemeinschaften gemeinsam ein Modell erarbeitet, wie sie ihre Zusammenarbeit und Finanzierung regeln. Unter anderem ist geregelt, dass im Kanton Zürich – wie in 20 weiteren Kantonen in der Schweiz – die juristischen Personen kirchen­steuer­pflichtig bleiben. Das Bundesgericht hat die Rechtmässigkeit dieser Regelung in den vergangenen Jahren mehrfach bestätigt.

Die Initiative gibt vor, sie würde die Wirtschaft davon entlasten, die Kirchen mitzufinanzieren. Das ist gleich dreifach falsch. Erstens: Die Kirchensteuer macht im Durchschnitt nicht einmal 1/1‘000 des Gesamtaufwands eines Unternehmens aus. Ihre Abschaffung bringt für kein Unternehmen eine wirkliche Entlastung. Fast 90 % der von Firmen erbrachten Kirchensteuern werden von nur gerade einmal 10 % der Unternehmen bezahlt. Die Entlastung für KMU-Betriebe ist minim, falls diese denn überhaupt Kirchensteuern bezahlen müssen. Zweitens: Die Kirchen dürfen die Unternehmens-Kirchensteuer nicht für Pfarrlöhne oder sonstige kultische Zwecke verwenden. Das Geld müssen sie ausschliesslich für gemeinnützige Arbeit im Interesse aller einsetzen; zum Beispiel für Beratung, Unterstützung, Beistand und Hilfe für Menschen in Not; Notfallseelsorge und Care-Teams, für Freizeit-, Bildungs- und Kulturangebote sowie Integrationsprogramme und für den Unterhalt historischer, denkmalgeschützter Kirchen. Drittens: Wenn die Kirchen diese gemeinnützigen Aufgaben nicht mehr wahrnehmen können, muss der Staat die Lücke füllen – zu wesentlich höheren Kosten als die freiwilligen Helfer der Kirchen.

Bemerkenswert ist für mich, dass selbst prominente Vertreter von Gewerbe und Wirtschaft diese Volksinitiative zur Ablehnung empfehlen. Dr. Regine Sauter, FPD-Kantonsrätin und Direktorin der Zürcher Handelskammer oder auch Martin Arnold, SVP-Kantonsrat und bis vor kurzem Geschäftsführer des Kantonalen Gewerbeverbands, sind nur zwei prominente Vertreter, die sich explizit für ein NEIN zur Volksinitiative einsetzen. Sie haben erkannt, dass nicht primär das Gewerbe entlastet würde, sondern vor allem Grosskonzerne, Banken und Versicherungen. Wenn der Kanton für die Leistungen der Kirchen aufkommen muss, wird das teurer und muss zwangsläufig von allen Steuerzahlern bezahlt werden. Das erscheint mir nun wirklich  nicht fair. Ich werde deshalb mit Überzeugung NEIN zu „fairen Kirchensteuern“ stimmen. 

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